Braucht man für die Segelfluglizenz ein Funksprechzeugnis?Im Editorial des Fliegermagazins Aerokurier, August-Heft, äußerte sich der stellvertretende Chefredakteur, Gerhard Marzinzik, unter der Überschrift "Kleinstaaterei" u.a. wie folgt: "Der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz am Flughafen Frankfurt-Hahn verweigert die Ausstellung der Segelfluglizenz, wenn kein Funksprechzeugnis nachgewiesen wird. Eine gesetzliche Grundlage für die Voraussetzungen gibt es nicht."Diese Haltung des Landesbetriebs R.-Pf. wäre - wenn Marzinzik sie denn zutreffend wiedergegeben hätte - eigentlich unfaßbar, weshalb ich die Angelegenheit recherchiert habe. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Der Vorwurf Marzinziks ist unberechtigt. Die Lösung des Problems setzt - wie so oft - unmittelbar am Gesetz an, und zwar hier an § 1 Abs. 1 FlugfunkV. Diese Bestimmung stellt die Grundregel auf, wonach man ohne gültiges Flugfunkzeugnis keinen Flugfunkdienst ausüben darf. Die für unser Problem interessierende Ausnahme steht aber bereits in § 1 Abs. 2 Nr. 1 FlugfunkV. Dort heißt es nämlich (Auszug): "Ausgenommen hiervon ist die Ausübung des Flugfunkdienstes bei Luftfunkstellen an Bord von ... Segelflugzeugen, soweit sie nicht in Lufträumen der Klassen B, C und D betrieben werden;"Ist man also mit einem Segelflugzeug - gleichgültig ob als Lizenzinhaber oder als Flugschüler - im Luftraum G oder auch E unterwegs, benötigt man kein BZF. Ein BZF ist daher auch nicht zum Erwerb der Segelfluglizenz erforderlich. Es wundert deshalb nicht (und ist auch nicht angreifbar), wenn bspw. die zuständige Behörde in Hessen in Fällen, in denen jemand kein BZF nachweist, einen Vermerk in die Segelflug-Lizenz einträgt, wonach diese Lizenz in den Lufträumen C und D keine Gültigkeit besitzt. Wenn nun der Landesbetrieb R.-Pf. zur Lizenzerteilung auf der Vorlage eines BZF bestünde, wäre das in der Tat wohl nicht zu rechtfertigen. Nur: Der Landesbetrieb ist weit davon entfernt, eine solche Forderung zu erheben. Wie kann es dann zu einer solchen Schlagzeile im aerokurier kommen? Ich habe beim Landesbetrieb R.-Pf. schriftlich angefragt und bereits einen Tag später lag mir die Antwort vor. Aus ihr ergibt sich, daß der Landesbetrieb das BZF nicht zwingend fordert, bevor er die Segelflug-Lizenz ausgibt. Allerdings muß der Bewerber ohne BZF eine "Sprechfunk-Prüfung" vor dem Landesbetrieb ablegen. (Die Antwort des Landesbetriebs finden Sie im Wortlaut ganz unten.) Diese Haltung des Landesbetriebs steht uneingeschränkt im Einklang mit den derzeit geltenden Bestimmungen. Das soll im Folgenden gezeigt werden. Zunächst jedoch - um das Thema abzurunden - ein Hinweis: § 36 Abs. 1 LuftPersV lautet:Aber kommen wir jetzt zu den einschlägigen Bestimmungen: § 38 LuftPersV lautet - soweit hier interessant:(1) Fachliche Voraussetzungen für den Erwerb der Lizenz für Segelflugzeugführer sind ...Und in Absatz 2 heißt es weiter: Der Bewerber hat in einer theoretischen und praktischen Prüfung nachzuweisen, dass er ... die an einen Segelflugzeugführer zu stellenden Anforderungen erfüllt. Die Prüfung erstreckt sich insbesondere auf die in § 36 Abs. 2 (Anm.: LuftPersV) aufgeführten Sachgebiete ...Schon damit steht fest, daß eine Prüfung auch bzgl. des Sprechfunks notwendig ist. Die Ausgestaltung dieser "Sprechfunkprüfung" nach LuftPersV wird konkretisiert durch die Zweite Durchführungsverordnung zur Verordnung über Luftfahrtpersonal (2. DV LuftPersV). In deren § 8 Abs. 3 wird angeordnet, daß sich die theoretische Prüfung nach der dortigen Anlage 5C (zu § 8) richtet. Dort heißt es unter Nummer 1 und 2 (auszugsweise): Die Abnahme der theoretischen Prüfung ist durch den Ausbildungsleiter ... zu beantragen. Diese Prüfung ist eine ... Prüfung in den nachfolgend aufgeführten sieben Fächern ...Die Bestimmung des § 8 der 2 DV LuftPersV und die dazugehörige Anlage korrespondieren natürlich mit der o.g. Bestimmung des § 36 LuftPersV. Deshalb wird als erstes Prüfungs-Fach in der Anlage ausgeführt: Luftrecht, Luftverkehrs- und Flugsicherungsvorschriften, einschließlich Rechtsvorschriften des beweglichen FlugfunkdienstesUnter Nummer 4 heißt es dann: Eine praktische Sprechfunkprüfung am Boden ist gesondert durchzuführen, wenn der Bewerber nicht bereits Inhaber eines Flugfunkzeugnisses ist.Schließlich ist unter Nummer 5 geregelt, wie die Sprechprüfung ausgestaltet sein muß. Daraus folgt ziemlich eindeutig, daß zwar ein BZF nicht verlangt werden kann. Insoweit hat Marzinzik recht. Aber die Behörde muß dann selbst prüfen, ob der Bewerber über die hinreichenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, Funksprechverkehr in der Luft zu betreiben. Wenn sie das tut, handelt sie normgemäß und bietet keinen Anlaß, ihr Kleinstaaterei vorzuwerfen. Noch einige Nachbemerkungen:
Schreiben des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz:per E-Mail vom 1.10.2010 Sehr geehrter Herr Kaufmann, vielen Dank für Ihre Anfrage. Sowohl die Ausführungen des Fliegermagazins Aerokurier als auch Ihre diesbezügliche Kommentierung auf Ihrer Homepage haben wir mit Interesse vernommen. Wir hätten uns getreu dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs natürlich gewünscht, wenn man zunächst die betroffene Behörde zu dem Sachverhalt befragt hätte. Aber dann hätte sich ja vielleicht die "Kleinstaaterei" in Luft aufgelöst ... Zu Sache selbst: Sie verweisen zutreffend auf die 2. DV LuftPersV und die in der Anlage 5C aufgeführten Inhalte. Unter Nummer 4 heißt es: "Eine praktische Sprechfunkprüfung am Boden ist gesondert durchzuführen, wenn der Bewerber nicht bereits Inhaber eines Flugfunkzeugnisses ist." Dementsprechend gibt es zwei Möglichkeiten: der Bewerber weist nach, dass er bereits im Besitz eines Flugfunkzeugnisses ist oder er muss die gesonderte Prüfung am Boden gemäß der Nummer 5 in deutscher Sprache (BZF II) oder in deutscher und englischer Sprache (BZF I) im Rahmen der theoretischen Prüfung durchführen. Dies kann er in unserem Antrag auf Zulassung zur Theorieprüfung gesondert beantragen. In diesem Fall prüfen wir selbst. Folglich entspricht unsere Verwaltungspraxis den Regelungen der 2. DV LuftPersV sowie Ihrer Rechtsauffassung. Hat der Bewerber hingegen weder ein Flugfunkzeugnis noch eine gesonderte Prüfung abgelegt, kann die Ausstellung der Segelfluglizenz natürlich nicht erfolgen. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen C. G. (Name war ausgeschrieben) |